Wieviel vom Gewinn eines Films steht dem Kameramann zu? Und: Kann er vom Produzenten Auskunft über die Höhe der mit dem Verkauf des Films erzielten Einnahmen verlangen?

Mit diesen Fragen hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung „Jost Vacano“ vom 01.04.2021 (BGH Az: I ZR 9/18) zu befassen. 

Er war Chefkameramann des Films „Das Boot“ und hat auf eine höhere Beteiligung an den Einnahmen des Films geklagt.

Der Ausgang des Verfahrens könnte gravierende Auswirkungen auf die gesamte Filmbranche haben.


Der Hintergrund

Gedreht wurde der Film „Das Boot“ bereits Anfang der 1980er Jahre. Damals wurde mit Vacano vertraglich eine Urhebervergütung in Höhe von 204.000 Deutsche Mark vereinbart (umgerechnet ca. 104.000 Euro). Im Gegenzug dafür trat er als Urheber sämtliche Rechte an dem gedrehten Bildmaterial für die „Verwertung“ oder Vermarktung ab. Dieses Vorgehen (sog. Rechte Buy-out) ist in der Filmbranche üblich und garantiert beiden Seiten eine gewisse Rechtssicherheit. 

Was zu diesem Zeitpunkt jedoch niemand ahnen konnte: Der Film sollte nicht nur national, sondern auch international zu einem großen Erfolg werden. Weltweit spielte das Material durch Kinobesuche sowie Verkäufe von Videokassetten und DVDs Einnahmen im mehrfachen Millionenbereich ein. Durch Ausstrahlungen im Fernsehen kamen noch weitere Einnahmen hinzu.

Dabei ist jedem Urheber in Deutschland gesetzlich das Recht zugesichert, dass er an den Einnahmen seines Werkes angemessen beteiligt wird – auch wenn er die Rechte daran an Dritte verkauft. Dementsprechend sah sich Vacano als Urheber des Films benachteiligt und er forderte eine bessere Beteiligung an den erzielten Erlösen ein.


In § 23 Urheberrechtsgesetz heißt es hierzu: 

§ 32 UrhG - Angemessene Vergütung
(1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird.

Zusätzlich gibt das Urhebergesetz dem Urheber das Recht, den ursprünglichen Vertrag anzupassen: 

§ 32a UrhG - Weitere Beteiligung des Urhebers
(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.


(2) Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt.


Der gerichtliche Weg

Zunächst musste also die Frage geklärt werden: Wie viel Einnahmen hat der Film im Detail erzielt? Die Produzenten und Rechteverwerter geben hierüber üblicherweise keine Auskünfte. Daher klagte Urheber Vacano das Recht auf diese Information (sog. Auskunftsanspruch) ein. Diese erste Verhandlung wurde zugunsten des Kameramanns entschieden.

Im zweiten Schritt sollte es dann um zwei Dinge gehen: 

  1. Eine angemessene Beteiligung an den Erlösen, die der Film bisher erzielt hatte und 
  2. Eine Anpassung des damals geschlossenen Vertrags, damit der Kameramann auch an den künftigen Einnahmen beteiligt wird. 


OLG München sprach Urheber hohe Nachzahlung zu

Das Oberlandesgericht München als Vorinstanz sprach dem Urheber Vacano letztendlich über 438.000 Euro an Nachzahlungen sowie die Vertragsanpassung zu. Aufgrund einiger anderer Punkte gingen jedoch sowohl Vacano als auch die Angeklagten den Weg der Berufung.

Der BGH nahm diesen Fall also nochmals genau unter die Lupe. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die vereinbarte Urhebervergütung in einem „auffälligen Missverhältnis“ zu den Einnahmen steht. 

Die streitentscheidende Frage ist als, wann ist ein solches "auffälliges Missverhältnis" vor und wie wird es ermitteln?


Wann genau liegt ein „auffälliges Mißverhältnis“ vor?

In der Pressemitteilung des BGH vom 1. April 2021 heißt es zu den Entscheidungsgründen:


„Ein auffälliges Missverhältnis liegt jedenfalls vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt, also der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.


Das Berufungsgericht hat seiner Prüfung, ob im Streitfall ein solches auffälliges Missverhältnis besteht, die vereinbarte Pauschalvergütung im Hinblick auf jeden Beklagten in voller Höhe zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass es bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem auf weitere Beteiligung in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigten ankommt.


Gibt es nur einen Vertragspartner, kann die gesamte mit dem Urheber vereinbarte Vergütung ins Verhältnis zu den gesamten vom Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden. Gibt es dagegen - wie im vorliegenden Fall - einen Vertragspartner, der mehreren Dritten unterschiedliche Nutzungsrechte eingeräumt hat, muss bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses jeweils der - zu schätzende - Teil der vereinbarten Gegenleistung, der auf die von dem jeweiligen Nutzungsberechtigten verwerteten Nutzungsrechte entfällt, ins Verhältnis zu den von diesem Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden.“


Berechnung der Erlöse nicht korrekt

Darüber hinaus gelangte der BGH Bundesgericht zu der Auffassung, dass die Erlöse im vorhergehenden Verfahren nicht richtig berechnet wurden. Die Begründung: Hätte es bei der Rechteverwertung nur einen Vertragspartner gegeben, könnte man die gesamten erzielten Erlöse aus der Rechteverwertung des Films in die Berechnung mit einbeziehen. Das ist beim Oberlandesgericht so geschehen. 

Der vorliegende Fall ist jedoch komplexer, da der Vertragspartner die Rechte wiederum an weitere Dritte vergeben hat. 

Daher muss bei der Ermittlung des „auffälligen Missverhältnisses“ jeweils geschätzt werden, wie hoch der Anteil an der Gesamtvergütung auf den Dritten entfällt, wie viel Einnahmen der Dritte erzielt hat und wie diese Zahlen dann im Verhältnis zueinanderstehen. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren demnach wieder an das Oberlandesgericht München zurückgegeben, um die entsprechenden Punkte nochmals zu verhandeln.


Fazit und Ausblick

Das letzte Wort in diesem Fall ist also noch nicht gesprochen. Das zu erwartenden Urteil darf mit Spannung erwartet werden, da es Signalwirkung auf die ganze Filmbranche haben dürfte. Viele kleine und mittlere Produktionsfirmen können sich Hoffnungen auf eine größere Beteiligung an den Erlösen machen.

Denn vielfach werden die Beteiligten in kleineren Produktionen mit Verweis auf das "geringe Budget" und "ausstehende Fördergelder" mit kleinen Vergütungen abgespeist und später über die tatsächlich erzielten Erlöse bewusst im Unklaren gehalten.

So hatte kürzlich auch die Drehbuchautorin Anika Decker erfolgreich die Produktionsfirmen von Til Schweigers auf Auskunft verklagt, wieviel Geld die Filme "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" eingespielt haben (LG Berlin, 12.10.2020). Diese Auskunft hatten die Produktionsfirmen wiederholt verweigert.


Ihr Team von rechtswal