Das retweeten eines Twitterpost mit einem Foto stellt keine Verbreitung und damit auch keine Urheberrechtsverletzung dar.

Dies erst Recht, wenn der Rechteinhaber (Kläger) das betreffende Foto selbst auf Twitter hochgeladen hat. Wer Texte und Fotos auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Twitter hoch lädt und sie im Profil öffentlich stellt, willigt konkludent in deren Weiterverbreitung auf der jeweiligen Plattform ein.

Das retweeten stellt ein embedding dar, mit dem fremde Inhalte nicht kopiert sondern auf Twitter vorhandene Inhalte in eigene Social-Media-Posts eingebunden werden. In dieser Nutzung liegt aber weder eine Vervielfältigung nach § 16 UrhG noch eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des §19 UrhG. Das hat das AG Köln mit Urteil vom 22.04.2021 (Az.: 111 C 569/19) entschieden.


Was war geschehen?

Kläger und der Beklagte arbeiten beide als Journalisten. Die Parteien besitzen jeweils einen Account bei der Internetplattform Twitter. Der Kläger verwendete auf seinem Twitter-Account ein Porträtbild von sich als Profilbild. Der Pressesprecher und twitterte einen Text und lud hierzu dieses (Profil-)Foto des Klägers hoch. Dieses baute der Beklagte in einen Tweet auf seinem Twitter-Account ein. 

Der Tweet wurde mehrfach retweetet. Retweets dienen gerade dazu, den Tweet eines anderen Nutzers mit den eigenen Followern zu teilen. 

Eine ausdrückliche Einwilligung zur Nutzung des Lichtbildes hat der Kläger nicht erteilt. Der Kläger ist der Ansicht, dass durch das retweeten sein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Foto verletzt ist. 

Der Beklagte sieht das anders. Twitters Geschäftsmodell sei es, dass alle Bilder, die dort online sind, geteilt werden dürften. Zudem ist dies auch in den AGBs der Plattform geregelt, denen jeder Nutzer – und damit auch der Kläger - zugestimmt hat. 


Foto-Retweet ist keine Urheberrechtsverletzung

Der Kläger hatte mit seiner Klage keinen Erfolg.

Das AG Köln stellte fest, dass der Kläger das Porträtbild selber auf der Plattform veröffentlicht hat. Der Beklagte hat lediglich einen bereits vorhandenen Tweet geteilt und das streitgegenständliche Bild nicht selbst in Twitter eingestellt.

Das AG Köln ist der Auffassung, dass das Retweeten eines Beitrages keine Verbreitung (§ 16 UrhG) und keine öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) im Sinne des Urheberrechts darstellt und mithin keine Verletzungshandlung gegeben ist. 

Im Urteil heißt es dazu:


„Das Retweeten stellt bereits keine Verbreitung dar. 

Ob die Verbreitung von Beiträgen auf Social Media Plattformen der Zustimmung des Urhebers bedarf, richtet sich nach der rechtlichen Einordnung der jeweiligen Handlung. Ein Retweet auf Twitter stellt eine Nutzungshandlung dar.

 Werden Beiträge auf Twitter retweetet, liegt ein Fall des sogenannten „Embeddings“ vor. Beim Embedding werden fremde Inhalte nicht kopiert sondern bestehende Inhalte in das eigene Social-Media-Profil eingebunden. In einem solchen Fall liegt daher weder eine Vervielfältigung im Sinne des §16 UrhG noch eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des §19 UrhG vor. Auch ist in der Wiedergabe des fremden Beitrages auf der eigenen Profilseite im Rahmen des Retweetens keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG zu sehen. 

Eine solche Wiedergabehandlung liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor, wenn eine recht große und unbegrenzte Anzahl an Personen erreicht und für ein neues Publikum wiedergegeben wird, das heißt für Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche Wiedergabe erlaubte (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn.17 – Svensson; GRUR-RS 2017, 127832 – Mops-Foto). 

Bei der Frage, ob ein neues Publikum erreicht wird knüpft der Europäische Gerichtshof daran an, ob der Inhalt zuvor beschränkt oder unbeschränkt abrufbar war. Vorliegend war das streitgegenständliche Porträtbild bereits auf Twitter unbeschränkt abrufbar.

Interessant sind die weiteren Ausführungen des Gerichts zur Frage, ob die Entscheidung anders ausfallen würden, wenn der Kläger das Bild nicht selbst auf Twitter hochgeladen hätte. Wir nehmen die Antwort mal vorweg: Nein

Weiter heißt es in den Entscheidungsgründen heißt es hierzu: 


„Selbst im Fall, dass der Kläger das streitgegenständliche  Bild nicht selbst auf Twitter hochgeladen hätte, sondern dieses alleine durch Herr T. auf Twitter gelangt wäre, würde das Retweeten durch den Beklagten keine „öffentliche Wiedergabe“ darstellen.

Der Beklagte hat lediglich einen bereits vorhandenen Tweet geteilt und das streitgegenständliche Bild nicht selbst in Twitter eingestellt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte dabei erkennen hätte können, dass dies ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgte, sind nicht vorgetragen.

Würde jeder Retweet eines Werks, das ohne Zustimmung des Rechtsinhabers frei verfügbar war eine Wiedergabehandlung darstellen, müsste jeder Twitternutzer vor einem Retweet herausfinden, ob der Inhalt, welchen er retweeten möchte, rechtmäßig hochgeladen wurde, um sich keinem Haftungsrisiko auszusetzen. Eine solche Recherche ist kaum praktikabel und in den Fällen in denen ein Retweet ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt nicht zu verlangen.

Die Nutzung des Bildes in einem Retweet ist zudem nicht rechtswidrig, da sie mit Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgte.

Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich zugestimmt. Es ist jedoch eine konkludente Zustimmung des Klägers darin zu sehen, dass der Kläger das streitgegenständliche Profilbild selbst auf Twitter hochgeladen hat.

Eine Einwilligung muss nicht ausdrücklich erklärt werden vielmehr genügt eine konkludente Einwilligung. Wer Texte und Fotos auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Twitter hoch lädt und sie im Profil öffentlich stellt, willigt konkludent in deren Weiterverbreitung auf der jeweiligen Plattform ein.

Es entspricht der gängigen Praxis von Twitter, dass Inhalte und Bilder geteilt bzw. retweetet werden. Bei Twitter werden Bilder täglich retweetet. Jeder Nutzer von Twitter kann daher davon ausgehen, dass die anderen Nutzer ebenfalls in diese Verwendungspraxis eingewilligt haben und mit dem retweeten ihrer eingestellten Inhalte einverstanden sind.

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Die konkludente Einwilligung folgt auch aus dem Wesen der Social-Media-Plattformen. Diese sind darauf ausgelegt, dass ihre Nutzer mit ihren Äußerungen und Bildern größtmögliche Breitenwirkung erzielen wollen.

Wer diese Plattform nutzt und Inhalte darauf stellt muss wissen und damit rechnen, dass andere Nutzer von den Möglichkeiten, die die jeweilige Plattform bietet, Gebrauch machen.

Stellt man Inhalte auf eine Social-Media-Plattform muss nach dem allgemeinen Empfängerhorizont im Sinne der §§ 133, 157 BGB davon ausgegangen werden, dass sich der Nutzer zuvor mit der Funktionalität und den Verwendungen dieser Plattform auseinander gesetzt hat. Werden Inhalte daraufhin bewusst eingestellt, darf dies von den anderen Nutzern als Zustimmung gewertet werden, dass diese Inhalte wie die anderen Inhalte der Plattform im Rahmen ihrer Funktionalität genutzt werden dürfen."

Link zum Urteil: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2021/111_C_569_19_Urteil_20210422.html 


Ihr Team von rechtswal