Ein Widerrufsrecht steht dem Verbraucher auch bei einem Vertrag über den Kauf und den individuellen Einbau eines Kurventreppenlifts zu, so der BGH in einer aktuellen Entscheidung (BGH, Urteil vom 20.10.2021, Az: I ZR 96/20 – Kurventreppenlift).
Das Widerrufsrecht ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware auf die individuellen Bedürfnisse des Käufers zugeschnitten sind (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB)
Doch was ist, wenn der Lift nicht richtig eingebaut wurde und nicht wie versprochen funktioniert? Steht Verbraucher:innen dann ein Widerrufsrecht zu? Einen solchen Fall hatte der BGH nun zu entscheiden.
Was war geschehen?
Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale. Die Beklagte vertreibt online Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven individuell angepasst werden. Während des Verkaufes teilte die Beklagte den Verbrauchern mit, dass - außer für ein bestimmtes Modell - kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe.
Nach Ansicht der Klägerin besteht jedoch ein Widerrufsrecht. Sie sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (UWG) und fordert daher Unterlassung dieser unzulässigen Verbraucherinformation.
Das Urteil
Der Bundesgerichtshof verurteilte den Treppenliftverkäufer zur Unterlassung. Denn dem Verbraucher stünde auch in dieser Konstellation ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu.
Zwar besteht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB kein Widerrufsrecht bei solchen Waren, die an die persönlichen Bedürfnisse des Käufers angepasst worden sind. jedoch liegt ein solcher Fall hier nicht vor, so der BGH. Denn im Streitfall sei nämlich ein Werkvertag geschlossen worden, der aber nicht unter die Ausnahmeregelung des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB fällt.
Ob ein Widerrufsrecht besteht oder nicht, hängt davon ab, ob es sich bei dem Vertrag (Kauf zuzüglich Montage des Lifts) um einen Werkvertrag oder einen Werklieferungsvertrag handelt.
Werklieferungsvertrag vs. Werkvertrag
Der Begriff der "Verträge zur Lieferung von Waren" sei EU-konform so auszulegen, dass dazu Kaufverträge und Werklieferungsverträge zählen, aber eben nicht Dienstverträge und Werkverträge (zumindest nicht im Regelfall).
Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt.
Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des Vertrags nicht auf dem bloßen Verkauf des Treppenlifts, sondern auf der Herstellung eines funktionierenden Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags.
Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund. Die Lieferung der Einzelteile stellen dafür einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt dar.
Fazit
Die beklagte Onlinehänderin hätte den Verbraucher bei Vertragsabschluss über sein Widerrufsrecht informieren müssen. Da sie dies nicht getan hat, hat sie gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Denn die Pflicht des Online-Verkäufers über das nach § 312g Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, stellt eine Marktverhaltensregel dar.
Onlinehändler sollten also beachten, dass dem
Verbraucher auch bei einem Vertrag über die Lieferung und Montage von
Waren, wie z.B. eines Treppenlifts ein 14-tägiges Widerrufsrecht zusteht. Die Informationen und die Widerrufsbelehrung im Onlineshop sollte überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.