Eine Gegenabmahnung ist grundsätzlich zulässig, wenn sie den zuerst abmahnenden Wettbewerber an die eigenen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht erinnert und ihn anhält, sich selbst wettbewerbskonform zu verhalten.
Grenzenlose Gegenabmahnungen allein zum Zweck, den Abmahnenden selbst zu beschädigen, sind hingegen nicht erlaubt.
Das hat der BGH mit Urteil vom 21.1.2021 entschieden (Az: I ZR 17/18) und damit Klarheit für Onlinehändler geschaffen. Auch bisher haben sich abgemahnte Onlinehändler nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir!" mit einer Gegenabmahnung zur wehr gesetzt.
Allerdings haben einige Gerichte diese Retour-Kutschen für rechtsmissbräuchlich gehalten. Dieses Risiko hat die Onlinehändler, die mit unnötigen Abmahnungen von dubiosen Mitbewerbern und Abmahnvereinen in Anspruch genommen wurden, natürlich nicht einfacher gemacht. Denn häufig haben sich die Abmahner auch nicht an die Regeln des Wettbewerbs gehalten und ihre Onlineshops wiesen teilweise die gleichen Verstöße auf.
Gegenabmahnung nicht per se Rechtsmissbrauch
Mit dem aktuellen Urteil hat der BGH nun klargestellt, dass dies kein Automatismus ist.
Wer laut Wettbewerbsrecht berechtigt abmahnt, betreibt nicht deshalb automatisch Rechtsmissbrauch, weil seine Abmahnung eine Reaktion auf eine Abmahnung seines Wettbewerbers für einen vergleichbaren Verstoß ist.
Eine Gegenabmahnung ist grundsätzlich zulässig, wenn sie den zuerst abmahnenden Wettbewerber an die eigenen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht erinnert und anhält, sich selbst wettbewerbskonform zu verhalten. Grenzenlose Gegenabmahnungen allein zum Zweck, den Abmahnenden selbst zu beschädigen, sind hingegen nicht erlaubt.
Hierzu führt der BGH in seinem Urteil aus:
Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG) ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Von einem Rechtsmissbrauch ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen jedoch nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 42/10, GRUR 2012, 286 Rn. 13 = WRP 2012, 464 – Falsche Suchrubrik; Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 15 = WRP 2016, 1102 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; Urteil vom 26. April 2018 – I ZR 248/16, GRUR 2019, 199 Rn. 21 = WRP 2019, 180 – Abmahnaktion II; Urteil vom 24. September 2020 – I ZR 169/17, GRUR 2021, 84 Rn. 17 = WRP 2021, 192 – Verfügbare Telefonnummer).
Die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 UWG) bezieht sich nicht nur auf die gerichtliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, sondern – wie schon ihr Wortlaut nahelegt – generell auf die Geltendmachung und insbesondere auch auf die vorgerichtliche Geltendmachung solcher Ansprüche (zu § 13 Abs. 5 UWG 1909 vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 – I ZR 241/99, BGHZ 149, 371, 373 (juris Rn. 16) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 199/10, GRUR 2013, 307 Rn. 11 = WRP 2013, 329 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung).
Nach diesem Maßstab konnte nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers bei der Abmahnung ausgegangen werden.